Dieser Artikel ist auch in der Rheinischen Post am 28. September 2001 veröffentlicht worden

Tauchen mit den Augen des Biologen

Dienstag, 18. September 2001, endlich mal kein Regen. Um 15.00 Uhr Treffpunkt Auesee. Dr. Klaus van de Weyer, Biologe unterwegs im Auftrag des Landesamtes für Ökologie, möchte den Auesee unter die Lupe nehmen. Gemeinsam mit ihm steige ich nach kurzem Kennenlernen und nach Verabredung eines Kurses in das bekannte Aueseewasser.
Was folgt ist ein nicht ganz gewöhnlicher Tauchgang.

Anders als in den letzten Wochen scheint die Sonne. Anders als in den letzten Wochen ist auch das Wasser im See von lange nicht gekannter Klarheit. Die Sichtweite liegt bei ca. 5 Metern.

Neu sind die Gerätschaften, die der Biologe dabei hat. Zunächst sind da zwei je ein Meter lange dünne Kupferrohre, am Ende miteinander verbunden. Dann sind in den Taschen des Jackets jede Menge Plastiktüten, deren Bedeutung ich später kennenlerne.

Es geht in die Tiefe, wie verabredet in Richtung Norden. Wir stoßen wie gewohnt zuerst auf "Hedwig", die im Moment von Armleuchteralgen fast überwuchert ist, Kopf und Oberkörper sind aber noch gut zu erkennen. (Für solche, die sich nicht auskennen: "Hedwig" ist ein im See versenkter Taucheranzug mit Puppenkopf, Maske und Perücke.)

Auf den ersten Metern schon lerne ich ein neues Unterwasserzeichen kennen: die im 90 ° -Winkel erhobene, mit der Handfläche zu mir zeigende Hand - HALT!!! Das bedeutet, hier ist was Interessantes - anhalten und eine Probe nehmen. Die den Seeboden bedeckenden Armleuchteralgen sind immer wieder ein Grund zur genauen Untersuchung.

Dann, näher ans Ufer und damit in flachere Bereiche kommend, treffen wir auf verschiedene in Gruppen stehende Pflanzenarten. Und jedesmal das oben beschriebene Handzeichen. Jetzt kommen die Kupferrohre zum Einsatz. Schnell erkenne ich, dass sie zwei Funktionen haben: zum Einen markieren sie, auf den Boden glegt, ein Viereck von der Größe eines Quadratmeters. Die Anzahl der Pflanzen auf diesem Quadratmeter wird gezählt, dann genau auf eine Unterwasserschreibtafel geschrieben. Und so geht es von Pflanzengruppe zu Pflanzengruppe. Man bedenke: Der Auesee ist ein Gewässer, in dem es nicht nur zwei oder drei verschiedene Pflanzen gibt. Man muss also Geduld mitbringen.
In dem klaren Wasser kann ich inzwischen in Ruhe die jungen Barsche beobachten, die in Schwärmen an mir vorüberziehen. Oder die am Boden herumkriechenden Krebse. Und sogar bei hellem Tageslicht einen großen Aal, den man sonst nur bei Nachttauchgängen zu Gesicht bekommt. Dr. van de Weyer sieht davon wenig, er zählt die Makrophyten (Pflanzen) mit einer Genauigkeit, die es wohl nur bei mit Leib und Seele arbeitenden Wissenschaftlern gibt.

In der zweiten Septemberhälfte ist das Aueseewasser nach den unfreundlichen Tagen nicht mehr besonders warm, sodass wir letztendlich doch noch den See verlassen müssen. Der Tauchgang war trotzdem mit 86 Minuten der längste, den ich je im Auesee gemacht habe. Dr. van de Weyer stieg aus dem Wasser und das erste, was er sagte, war: "Ich bin begeistert!"

Fazit der Auswertung: Der Auesee ist in NRW einer der besten, artenreichsten Seen überhaupt. Sechs Arten, die auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen stehen, sind im Auesee zu finden. Ein See also, der allein deswegen als besonders schützenswert angesehen werden muss.

Wir Taucher wissen seit langem, dass weit und breit nicht Besseres zu finden ist. Schön, dass man das von qualifizierter Seite bestätigt bekommt.

Hier noch eine Liste der Arten, die wir im Auesee gefunden haben:



Ein weiterer Tauchgang wurde vereinbart: Am 24.9.2001 sollte ein sogenanntes Transekt aufgenommen werden. D.h., hier wird vom Seegrund bis ans Ufer haargenau aufgeschrieben, in welcher Tiefe welche Pflanzen in welcher Häufigkeit vorkommen. So ergibt sich ein genaues Profil des Sees.

Auch dies wurde ein interessanter, wenn auch nur 60 Minuten dauernder Tauchgang. Die Ergebnisse liegen bald in schriftlicher Form vor. Wer mehr über die Arbeit von Dr. v.d.Weyer erfahren möchte, kann im Internet unter http://www.lanaplan.de nachschauen.

Ottmar Geddert